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Der heutige Mensch hat sich so sehr individualisiert, dass das Leben nur noch sporadisch durch die Vorgaben äusserer Formen und Institutionen bestimmt ist. Früher waren Religion, Nation, soziale Klasse, Beruf, Dorf und Familie weitgehend lebensbestimmend. Aus diesen Fesseln hat sich der Mensch zunehmend befreit. Doch haben Leistungs- und Konsumgesellschaft neue Zwänge errichtet, die immer öfter als unbefriedigend empfunden werden. Man läuft den Dingen hinterher, erledigt, aber gestaltet nicht mehr. Latente und manchmal auch offenkundige Unsicherheit und Unzufriedenheit sind zu Merkmalen des Lebensweges geworden. Sinnsuche ist ein immer drängenderes Bedürfnis, das jedoch oft nur oberflächlich gestillt werden kann.

Die Selbstverantwortung für das eigene Leben ist etwas Grossartiges. Sie hat aber auch eine unerbittliche Seite: Ich komme in meinem Leben nur weiter, wenn ich weiss, was ich will. Aber ich werde nur wissen, was ich will, wenn ich weiss, wer ich bin.

Wer bin ich? Wessen Leben führe ich? Und führe ich es oder werde ich geführt? Ist mein Lebensweg ein Konglomerat von Zufälligkeiten oder waltet ein Schicksal? Und wenn ja: kann ich dieses Schicksal in die eigenen Hände nehmen?

Solche Fragen tauchen bei vielen Menschen schon in jüngeren Jahren auf. Doch sie verschwinden oft im hektischen, von Anforderungen in Lehre, Studium, Beruf und Familie geprägten Alltag. Lebenskrisen, Midlife-Crisis, gesundheitliche Fragen oder der Blick auf Pensionierung und Alter lassen diese Fragen deutlich hervortreten. Habe ich den roten Faden meines Lebens gefunden? Bin ich als Mensch das geworden, was ich ursprünglich hatte werden wollen? Bin ich ganz Selbst, ganz Mensch geworden?

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Spirituelle Biographiearbeit ist eine Methode, einen Weg zum eigenen Selbst zu finden. Sie ermöglicht, Erfahrungen, Geschehnisse und Besonderheiten, Glück und Unglück im eigenen Leben in seinen Zusammenhängen zu erkennen und zu verstehen. Dieses Erkennen und Verstehen ist gleichzeitig ein Prozess der inneren Wandlung, die alte, vermeintliche Sicherheiten auflösen und Kraft für neue, mutige Wege schaffen kann.

Es ist wertvoll und bereichernd, den Weg der Biographiearbeit gemeinsam mit Kolleg/innen in einer Gruppe gehen zu können - jedoch stets in voller Eigenständigkeit und Eigenverantwortung. Die Teilnehmerin / der Teilnehmer wird durch die Arbeit an der eigenen Biographie befähigt, zur eigenen Lebensberaterin, zum eigenen Lebensberater zu werden. Die Aufgabe der Leitung ist es, die Erfahrungsmöglichkeiten zu schaffen, durch die sich diese Befähigung entwickeln kann.

Biographiearbeit als Arbeitsmethode fusst auf den Forschungen und praktischen Erfahrungen von Bernard Lievegoed (NL), George und Gisela O’Neil (US) und Gudrun Burkhard (BR/DE). Neben Selbstarbeit und Gespräch spielen sozial-künstlerische Übungen eine wichtige Rolle. Biographiearbeit umfasst heute eine Vielzahl von methodischen Ansätzen; das International Trainers Forum verantwortet die Anerkennung und Akkreditierung professioneller Ausbildungen; in der alle zwei Jahre stattfindenden Worldwide Biography Conference werden Forschung und Entwicklung der Biographiearbeit unter Kolleg / innen professioneller Biographiearbeit ausgetauscht. In einigen Ländern gibt es Berufsverbände, so den Berufsverband Biographiearbeit Schweiz.

 
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